Der Sakralbau gilt als der schwierigste Schauplatz am Bau. In Holzkirchen realisierten die Eberhard Wimmer Architekten einen Neubau, der für eine Kirche gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist.
Die prunkvollen Jahre des repräsentativen Kirchenbaus sind vorbei. Heute wird auf´s Budget geschaut.
Sinkende Zahlen bei den Gottesdiensten, Kirchen die schließen, weil der Unterhalt zu teuer wird oder ein Skandal die Medien erschüttert, es gibt viele Gründe warum sich die Kirchengemeinden mit Investitionen zurück halten. Die meisten Projekte sind Sanierungen und Restaurierungen. Der Neubau der Kirche Sankt Joseph in Holzkirchen ist deshalb gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Im Erzbistum München und Freising ist sie die erste neu geweihte Kirche seit zehn Jahren. Und Sankt Josef wurde komplett aus Holz gebaut.
Knapp 11 Millionen Euro investierte die Erzdiözese München und Freising in den Komplex aus Pfarrkirche, Kapelle der heiligen Familie und Außenbereich. Weitere 100.000 Euro flossen aus der Pfarreikasse in das Bauvorhaben. Den vom Bistum ausgelobten Wettbewerb konnten die Eberhard Wimmer Architekten im März 2013 für sich entscheiden. Spatenstich war am 4. Oktober 2015 und am 18. März 2018 wurde Sankt Josef nach rund zweieinhalb Jahren Bauzeit feierlich eingeweiht.
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Foto: Gerd Schaller
Historie.
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Dass in Holzkirchen eine Kirche neu gebaut werden konnte, war Glück im Unglück. Der Vorgängerbau, obwohl erst im Jahr 1962 eingeweiht, hatte aufgrund von Baumängeln und schlechtem Baugrund Schäden am Dachtragwerk erlitten. Nachdem die Kirche 2012 erst entweiht und dann gesperrt wurde, entschied man sich kurze Zeit später für einen Abriss. Das Erzbischöfliches Ordinariat München beschloss schließlich den Neubau des Pfarrzentrums mit Kirche und zugehöriger Kapelle. Lediglich der etwas abseits stehende Kirchturm wurde vom Vorgängerbau übernommen.
Schon bei der Ausschreibung war klar, dass die neue Kirche aus Holz sein sollte. Architekt Eberhard Wimmer gewann den Wettbewerb mit seinem unkonventionellen Entwurf, einerseits aufgrund Raumgestaltung und Lichtführung, aber auch dank der guten städtebaulichen Integration. Und weil er bereits im Kirchenbau Erfahrung hatte.
Herausforderung Sakralbau.
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Für den Architekten selbst ist der Kirchenbau mit „die größte Herausforderung, die es im Bauen gibt.“ Groß sei der kreative Freiraum, „weil jede Zeit und jede religiöse Richtung bei aller Wiedererkennbarkeit ihre eigenen, zeitgemäßen Sakralbauten hervorbringen möchte.“ Das bringt aber auch hohe Erwartungen mit sich. Eine Kirche soll Sinn stiften, Werte vermitteln. Doch gerade letztere hat die Kirche selbst in der Vergangenheit oft stark strapaziert.
Ausgerechnet der Skandal um den damaligen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst sorgte dafür, dass der Baubeginn gestoppt werden musste, da die Kirche nun sehr sorgfältig über Ausgaben und deren Außenwirkung nachdachte. Als schließlich doch gebaut werden durfte, konnte Wimmer mit seinem Entwurf einer erfrischend anderen Kirche dafür sorgen, dass der Neubau weit über die Gemeindegrenze hinaus positiv rezipiert wurde.
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Foto: Gerd Schaller
Zeltkonstruktion aus Dreiecksfachwerk.
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Das neue Kirchenzentrum besteht aus einer mächtigen Rundkirche mit kleiner Kapelle und dem Kirchturm des Vorgängerbaus. Kirche und Kapelle wurden als leicht nach hinten gekippte Ovalkegel in unterschiedlichen Größen ausgeführt. Der elliptische Grundriss mit 32 unterschiedlichen Achsen und Winkelabweichungen stellte Planer und Konstrukteure dabei vor einige Herausforderungen, da keine standardisierten Schalungen und Schallehren verwendet werden konnten. Beide Kegel sind gekappt, der größere in 22 Metern, der kleinere in elf Metern Höhe.
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Foto: Gerd Schaller
Die Stümpfe wurden mit Plexiglasdecken versehen und dienen so als große ovale Lichtöffnungen. Acht mal zwölf Meter misst sie in der großen Kirche. Das einfallende Tageslicht füllt die Innenräume mit einer schattenlosen Helligkeit. Im Querschnitt betrachtet nehmen sie einerseits die Schwünge des Alpenpanoramas auf und vermitteln gleichzeitig einen archaisch-organischen Eindruck. Die ausschließlich aus Holz gefertigte Konstruktion wurde als Dreiecksfachwerk konzipiert. Die Planer berechneten digital die einzelnen Polygone, die dann als Fertigelemente im Leimbinderbau montiert wurden. In zehn Ringen wächst die Kirche nach oben. Die schrägen Sparren führen den Blick des Betrachters hin zum Licht, das durch die Plexiglaskuppeln Kirche und Kapelle erhellt.
Die Konstruktion aus sich nach oben hin verjüngenden Balkendreiecken ist gut sichtbar und fungiert gleichzeitig als rhythmisierendes Element. Im Innern entsteht dadurch die Atmosphäre eines riesengroßen Zeltes, das gleichzeitig Leichtigkeit und Geborgenheit vermittelt. Auch von außen ragen Kirche und Kapelle wie zwei Zelte in den Himmel, am Boden sind sie über die Sakristei und das Foyer verbunden. Auf der Grundfläche von insgesamt 850 Quadratmetern finden 479 Gläubige Platz für Gebet, Andacht und Begegnung.
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Foto: Gerd Schaller
Liturgische Raumgestaltung
Der saalartigen Kirchenraum wurde im Sinne des zweiten Vatikanums, das auch als 21. Ökumenisches Konzil angesehen wird, liturgisch gestaltet. Vor allem der Dialog, auch mit anderen Glaubensgemeinschaften, steht demnach im Mittelpunkt, die Anpassung an die Gegenwart aber auch Treue zur Tradition. Das Zentrum des Raums bildet die ovale Altarinsel. Um sie ziehen sich die Sitzbänke in konzentrischen Kreisen. Gemeinsam mit der schreinartig neu gefassten Orgel vermittelt das Ensemble eine große Harmonie.
Durch die Deckenöffnungen fällt Licht auf die liturgischen Orte und erzeugt so eine stille Dramaturgie. Fast schon divin mutet die Atmosphäre an, die dann über der gesamten Szenerie liegt. Architekt Wimmer schätzt besonders das Gefühl der Geborgenheit, das die Kirche vermittelt. Wenn er danach gefragt wird, wie er zu der Kegelform gekommen sei, muss er schmunzeln. Er habe daran gedacht, wie Kandinsky aus dem flachen Moskauer Umland nach Oberbayern gekommen sei. „Wie der plötzlich im Voralpenland diese Berge sieht, die Türme, die Zwiebeln und alles wackelt so ein bisschen in seinen Bildern, bis es irgendwann zu einer abstrakten Sinuslinie wird.“
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Foto: Gerd Schaller
Altes bewahren.
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Obwohl der Neubau von Sankt Josef geradezu futuristisch anmutet, wollte man den Geist des Vorgängerbaus bewahren. Das alte Taufbecken bekam einen neuen Platz, ebenso Altar und Tabernakel aus Carrara-Marmor. Einen neuen Ambo und Sedilien – das Lesepult und die Sitze im Altarraum – schuf Bildhauer Fritz Brosig, der auch schon den Altar der alten Kirche geschaffen hatte.
Die bronzene Eingangstür, die von Szenen aus der Ortsgeschichte und Bergkristallen geziert wird, dient nun als Eingang zur Kapelle. Die alte Orgel wurde restauriert und um 26 Register aufgerüstet und begleitet auch in der neuen Kirche die Liturgie. Selbst der Grundstein der alten Kirche wurde wieder installiert, er schmückt die Wand der Sakristei. Neu gestaltet wurde hingegen das Kirchenportal-Bronzetore mit seitlich anschließenden Eichenholzwänden. Und die Kapelle erhielt eine dreiteilige Glasskulptur, ein abstraktes Abbild der heiligen Familie.
Das Büro der vonMeierMohr Architekten ist unmittelbar am Ufer des Ammersees im bayerischen Fünf-Seen-Land gelegen. In konstruktiver Atmosphäre findet ein Austausch statt: zwischen Bauherren und Architekten, zwischen Designern, Innenarchitekten, Fotografen, Fach-Planern, Handwerkern. Um Wünsche zu erfüllen, Werte zu schaffen und erhalten, neue Technologien sinnvoll und effektiv anzuwenden, um aus Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Die Bürogründer Helgo von Meier (rechts) und Stefan Mohr verfügen über einen vielfältigen Erfahrungsschatz im In- und Ausland. Für Ihre Projekte, Wettbewerbe, öffentlichen Bauten, für nachhaltige Bauweise, ideenreiche Stadtmöblierung wurden sie mehrfach ausgezeichnet. Darüber hinaus prägen Mitarbeiter und enge Kooperationspartner aus den Bereichen Architektur, Design, Fotografie und Marketing maßgeblich die Gestalt und Wesensart ihrer Wirkungsstätte.
Foto: Gut Sonnenhausen
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Foto: Gerd Schaller
Auf Holz klopfen.
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Für Architekt Wimmer war Holz der Baustoff erster Wahl. Nicht nur, dass Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft und lokalem Bestand rundherum klimafreundlich ist. Beton und Stahl hätten sich hier aus verschiedenen Gründen ohnehin nicht geeignet. Die stützfreien, kegelförmigen Raumhüllen ließen sich aus Holz wesentlich kostengünstiger realisieren. Zudem vermitteln Holzbauten typischerweise ein Gefühl der Geborgenheit und Erdung.
Das Holz stammt aus regionalen Quellen. Für die Konstruktion wurde überwiegend Brettschnittholz aus zentraleuropäischen Wäldern, hauptsächlich Fichte, verwendet. Die Kegeldächer wurden mit Lärchenschindeln verkleidet und die Fachwerkknoten bestehen aus Buchenholz. Wo der Brandschutz berücksichtigt werden musste oder gestalterische Aspekte ausschlaggebend waren, kam Eichenholz zum Einsatz.
Klimabilanz und Energetik.
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Sankt Josef ist nicht nur in architektonischer und gestalterischer Hinsicht außergewöhnlich. Die Kirche weist auch unter energetischen Aspekten bemerkenswerte Kennzahlen auf. Die Kirche konnte als Niedrigenergiegebäude mit passiver Energienutzung ausgeführt werden, das die Vorgaben der EnEV um bis zu 28 Prozent unterschreitet. Die Lüftung entsteht durch die Aufwinddynamik in den Kegeln, die für eine kontinuierliche Umwälzung der Luft sorgt.
Die Fußbodenheizung wird durch Geothermie mit Energie versorgt, wobei die Bodenplatten als thermisches Speichermedium dienen. LED-Leuchten und begrünte Flachdachbereiche optimieren Emissionen und kompensieren Kohlenstoffdioxid. Regenwasser versickert über eine Rigolenanlage, sodass Niederschlag dem Boden zugeführt wird, statt in die Kanalisation eingeleitet zu werden. Allgemein lag der Fokus darauf, langlebige Materialien und Konstruktionen zu verwenden, um so für eine lange Lebensdauer der Kirche zu sorgen.
Am 18. März 2018 wurde St. Josef feierlich eingeweiht. Seitdem können die Besucher hier ein Stück vom Himmel erleben, den man sich in der Kirche gut ausmalen kann.
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Architekten
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